Predigt am 13. November 2016

Predigt von Pater Alois Kurmann im Konventamt am Tag der Schliessung der Heiligen Pforte

Von unserer Wallfahrtsleitung habe ich den Hinweis bekommen: "Am 13. November endet das Hl. Jahr der Barmherzigkeit. Kannst du das Motiv der Barmherzigkeit in die Predigt und die Fürbitten integrieren?" Heute ist zugleich der "Sonntag der Völker". Dazu hat Papst Franziskus eine Botschaft veröffentlicht. Sie trägt den Titel "Migranten und Flüchtlinge sind eine Herausforderung. Antwort gibt das Evangelium der Barmherzigkeit". Ende des Jahres der Barmherzigkeit und die Antwort des Evangeliums der Barmherzigkeit auf ein drängendes, weltweites Problem, das bis in die letzten Winkel unserer Schweiz hinein Auswirkungen hat. Ist das heutige Evangelium ein Evangelium der Barmherzigkeit, das auf dieses drängende Problem eine Antwort geben kann? - Kommentare zur Wahl in Amerika sagen, dass viele Menschen Donald Trump gewählt haben, weil sie Angst vor der Zukunft haben. Die Globalisierung mache ihnen Angst, sie wollen sich auf ihr Land zurückziehen und die übrige Welt vergessen. Ohne Zweifel ist die Angst vor der Zukunft gross, auch bei uns: Angst, arbeitslos zu werden, zu wenig zu verdienen um Miete und Krankenkasse zu zahlen, Angst, dass die vielen Asylanten und Flüchtlinge unsere Lebensmöglichkeiten einengen. Denn im Gegensatz zu Tieren und Pflanzen wissen wir Menschen, dass wir Zukunft haben. Darum die immer wieder aufkommenden bangen Fragen, wie unsere Zukunft sein wird.

Für Menschen, die im christlichen Sinn glauben, spielt die Zukunft eine grosse Rolle. In jeder Eucharistiefeier bekennen wir: "Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit." Leben, Tod und Auferstehung des Jesus von Nazareth werden mit der Hoffnung auf Zukunft verbunden: Er wird als Herr wieder kommen, um die Welt und ihre Geschichte zu beenden, um die Schöpfung, das ganze Werk Gottes, zur Vollendung zu führen. Dabei betonen aber die heutigen Texte: Wir dürfen trotz dieser grossen Hoffnung auf die Zukunft die Gegenwart nicht vergessen. Sie geben Hilfe, um die Gegenwart zu bestehen. Beide Texte von heute setzen voraus, dass wir Zukunft haben, dass in der Zukunft Entscheidendes passiert, sie haben auch den Mut, die Angst der Menschen vor der Zukunft nicht zu verdrängen, sie malen nicht ein rosige Zukunft, aber sie reden trotzdem sehr klar davon, wie wir uns jetzt, in der Gegenwart, ja Tag für Tag verhalten können. - Der Text des Propheten Malachias aus dem 5. Jh. vor Christus redet von schrecklichen Ereignissen, die kommen. Aber er macht auch Mut: Wer mit Gott rechnet, wer in Ehrfurcht und Liebe zu ihm lebt, der darf hoffen, dass ihm Gott eine heilvollen Zukunft geben wird. - Der Evangelist Lukas scheut nicht davor zurück, die grossen Gefahren und Verheerungen zu benennen, die in Zukunft möglich sind: Zerstörung von wunderbaren Tempeln und Kirchen, Aufstände, Kriege, Erdbeben, Hunger, Seuchen, Verfolgung, Zerstörung der engsten Bindungen an die Familie, an Verwandte und Freunde, Umschlagen der Liebe in Hass. Wir wissen, dass diese schrecklichen Ereignisse vor allem der Grund dafür sind, dass Millionen von Menschen auf der Flucht sind. Jesus fordert uns in dieser Situation auf: Bleibt standhaft, lasst euch nicht irre machen, zerstört nicht noch mehr, erhebt nicht auch noch Kriegsgeschrei, vergrössert nicht noch den Hass! Jesus gibt dazu die Verheissung: durch diese Haltung der Standhaftigkeit werdet ihr das Leben gewinnen. Es wäre nicht richtig, bei dieser Verheissung nur an das Leben nach dem Tod, an den Himmel, zu denken. Die Haltung, die das Evangelium angesichts der Schrecken der Zukunft empfiehlt, verheisst Lebensmöglichkeiten für die Gegenwart: den Hass nicht vergrössern, Lebensmöglichkeiten schaffen, in Katastrophen nicht verzweifeln, wenn Bande der Freundschaft zerreissen, nicht in Verbitterung zu verfallen.

In dieser hoffnungsvollen Sicht stand das Jahr der Barmherzigkeit. Es machte Mut, im Versagen auf Verzeihung zu hoffen, sich nicht in Einsamkeit einzuschliessen, Abneigung gegen andere abzubauen. Das Jahr der Barmherzigkeit geht nun zu Ende. Aber Gottes Barmherzigkeit ist nicht am Ende. Darum darf uns muss auch unsere Barmherzigkeit nicht sterben auch wenn die Pforte der Barmherzigkeit auf dem Klosterplatz wieder abgebaut wird. Für das weltweite Problem der Migranten und Flüchtlinge können nur, wie der Papst sagt, im Licht des Evangeliums der Barmherzigkeit Lösungen gesucht und gefunden werden. Mauern bauen, Grenzen schliessen, ausgrenzen, Menschen in den Untergrund und in die Illegalität treiben, schaffen keine Zukunft, lassen die Angst vor der Zukunft nicht kleiner werden.

Unser Glaube an Jesus Christus hilft uns, im Bewusstsein um die Unsicherheiten angesichts der Zukunft standhaft die Gegenwart zu bestehen, die Zukunft nicht zu verdrängen. Als Christinnen und Christen dürfen wir leben, planen, Lösungen suchen, weil wir aus dem Glauben leben, dass Gott stärker ist als Tod und Vernichtung, und darum Leben schenkt und Wege möglich macht, um Leben zu gestalten und Lebensmöglichkeiten für uns und andere zu schaffen.