Sonntag der Barmherzigkeit
Am 3. April 2016 wurde der Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit in Einsiedeln anlässlich des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit feierlicher gestaltet als sonst. Im festlichen Konventamt (wegen der Erstkommunionfeier der Pfarrei erst um 11.00 Uhr) sprach P. Philipp Steiner in der Predigt über die Geschichte des Barmherzigkeitssonntages und verknüpfte das Sonntagsevangelium mit dem bekannten Jesus-Bild, welches nach einer Vision von Sr. Faustina gemalt wurde.
Am Nachmittag wurde der Tag mit einer eigenen Feierstunde begangen. Erfreulich viele Gläubige nutzten die Gelegenheit, in der besinnlichen Atmosphäre der Unterkirche die Stunde der Barmherzigkeit am Nachmittag mitzufeiern. Um 16.15 Uhr setzte P. Daniel Emmenegger die Katechesenreihe zu den Werken der Barmherzigkeit fort. Der Barmherzigkeitssonntag wird bestimmt auch nach dem Heiligen Jahr der Barmherzigkeit einen festen Platz im Einsiedler Wallfahrtsjahr behalten.
Predigt
Liebe Brüder und Schwestern
Im Jahr 2000 hat der heilige Papst Johannes Paul II. den Oktavtag von Ostern zum Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit erklärt. Das von Papst Franziskus ausgerufene Heilige Jahr der Barmherzigkeit lädt uns ein, uns mit der Geschichte und Bedeutung des heutigen Festtages etwas auseinanderzusetzen.
Die Entstehung dieses Festes ist eng mit der Lebensgeschichte von Papst Johannes Paul II. verbunden. Der junge Karol Wojtyla studierte während der deutschen Besetzung Polens im Untergrundseminar von Krakau Theologie und musste gleichzeitig in einer Chemiefabrik Zwangsarbeit leisten. In dieser schwierigen Zeit suchte er häufig ein nahegelegenes Kloster auf und kniete dort am Grab einer jung verstorbenen Ordensfrau.
Diese Ordensfrau hiess Sr. Faustina Kowalska. Sie wurde 1905 in einer einfachen polnischen Bauernfamilie geboren und trat mit 20 Jahren in Warschau in die Kongregation der Muttergottes der Barmherzigkeit ein. Sie starb kurz vor Ausbruch des 2. Weltkriegs erst 33jährig in Krakau. Während ihres kurzen Ordenslebens arbeitete sie als Köchin, Gärtnerin und Pförtnerin. Nach aussen schien ihr Ordensleben eintönig und grau. Aber inwendig war es erfüllt von einer ungewöhnlich tiefen Vereinigung mit Gott und ausgezeichnet durch Erscheinungen Jesu. Unter anderem hat Jesus in einer der Visionen gewünscht, dass am Sonntag nach Ostern der Barmherzigkeit Gottes in besonderer Weise gedacht werden soll.
Ihr einfaches und doch so reich gesegnetes Leben und ihre Botschaft haben ausgestrahlt, so dass der junge Theologiestudent Karol Wojtyla in den dunklen Jahren des 2. Weltkriegs an ihrem Grab Mut und Zuversicht für seinen eigenen Glaubensweg geschöpft hat. Kein Wunder, dass er es sich viele Jahre später als Papst Johannes Paul II. nicht hat nehmen lassen, Sr. Faustina im Jahr 2000 persönlich heilig zu sprechen.
Die von Sr. Faustina erhaltenen Offenbarungen begründeten eine regelrechte Blüte der Verehrung der Göttlichen Barmherzigkeit. Vielen von uns dürfte das Bild vom Barmherzigen Jesus bekannt sein – von manchen belächelt und abgelehnt wegen der etwas kitschigen Darstellungsweise, von vielen Gläubigen aber geschätzt und tief verehrt als Zeichen von Gottes liebender Gegenwart und seiner unerschöpflichen Barmherzigkeit.
Wenn man dieses Bild etwas genauer betrachtet, dann braucht es nicht viel Fantasie, um die Darstellung Jesu mit dem heutigen Evangelium in Verbindung zu setzen. Wir haben vorhin gehört, wie Jesus eine Woche nach Ostern den versammelten Jüngern erneut erscheint. Mit dabei ist auch der Apostel Thomas, der am Ostersonntag durch Abwesenheit geglänzt hat. Nun schlägt seine grosse Stunde.
Jesus ermutigt ihn, sich von seiner Auferstehung zu überzeugen und lädt ihn ein: "Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!" Wenn wir vor dem Bild des Barmherzigen Jesus stehen, dann finden wir uns in der Perspektive des ungläubigen Thomas. Auch uns zeigt Jesus auf dem Bild die geöffnete Seite und seine durchbohrten Hände und Füsse. Vielleicht wird uns im Blick auf Jesus sogar bewusst, dass wir nicht nur mit den Augen des Thomas sehen, sondern dass wir selber Thomas sind! Auch uns fällt es manchmal schwer zu glauben.
Doch im Gegensatz zu Thomas bleibt es uns versagt, unsere Hände nach den verklärten Wundmalen des Herrn auszustrecken. Wir müssen uns mit dem Glaubenszeugnis anderer begnügen – von den ersten Aposteln über Heilige wie Sr. Faustina bis hin zu jenen Menschen, die uns den Weg zum Glauben geebnet haben. Jesus weiss um die Herausforderung des Glaubens, wenn er zu Thomas sagt: "Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben."
Aber besteht tatsächlich ein so grosser Unterschied zwischen uns und dem Apostel Thomas? Verwechseln wir nicht allzu oft Glauben mit Verstehen? Im Evangelium steht nicht, dass Thomas verstanden hätte. Sein Ausruf "Mein Herr und mein Gott!" ist keine wissenschaftliche Aussage, sondern ein Bekenntnis! Auch von uns ist nicht Verstehen, sondern Glauben gefordert.
Der deutsche Ordensmann und Lyriker Andreas Knapp drückt dies in folgenden Zeilen aus:
nicht durchblicken
sondern anblicken
nicht im griff haben
vielmehr ergriffen sein
nicht bloss verstehen
auch zu dir stehen
nicht durchschauen
einfach nur anschauen
so werden wir wirklich
wir
Liebe Schwestern und Brüder,
Als Jesus Sr. Faustina gebeten hat, das besagte Bild von ihm malen zu lassen, wünschte er auch eine Bildunterschrift. Sie heisst nicht "Jesus, ich verstehe dich!", auch nicht "Jesus, ich glaube an dich!", sondern einfach: "Jesus, ich vertraue auf dich!" Das Vertrauen steht am Anfang des Glaubens.
Wagen wir also diesen ersten Schritt und wir werden uns als Beschenkte erfahren, wenn wir erkennen dürfen, dass Gott ein offenes Herz für uns hat, das reich ist an Erbarmen. Jesus wird unser Vertrauen nicht enttäuschen.
Amen.
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